Nachdem, ich schon einige Erfahrungen im laotischen / chaotischen Straßenverkehr gesammelt habe, muss ich gestehen: der Verkehr hier entwickelt eigene Gesetze. Und damit ist nicht rechts vor links gemeint. Zuerst einmal gibt es eine strikte Hierarchie bei der Fußgänger und Fahrradfahrer ganz unten stehen. Es existieren zwar einige Zebrastreifen, doch interessieren die schlichtweg keinen. Deswegen kann es gut sein, dass man als nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmer fünf Minuten braucht um die Straße zu überqueren. Auf der nächsten Stufe stehen dann die vielen Motorrollerfahrer und Tuk-Tuks (dreirädrige Taxis gebaut aus Mopedvorderteil und einer Menge Pfusch). Ganz oben in der Hierarchie sind die Autos. Die gibt es in allen erdenklichen Levels: von total abgefuckten kaum mehr fahrfähigen Rostlauben über monströse Pick-ups bis hin zu frisch polierten Luxuskarossen.
Nach leichter anfänglicher Angst macht das Herumwuseln mit dem Moped inzwischen sogar richtig Spaß. Dazu muss man wissen, dass die Roller hier im Gegensatz zu der deutschen Version keine Verkehrsbehinderung sind. Mit um die 10 PS und einer Höchstgeschwindigkeit zwischen 80 und 100 km/h sind sie das perfekte Stadtmobil. Man quetscht sich einfach in alle Lücken rein, überholt rechts, überholt links und drängelt sich an der Ampel ganz nach vorne. Man fühlt sich bisschen wie einem Computerspiel, indem man mit seinem Raumschiff Asteroiden ausweichen muss. Deswegen nicht auf ein einziges Fahrzeug konzentrieren, sondern den Blick fürs Große wahren – dann kommt man auch heil an. Gewöhnungsbedürftig ist vor allem das Linksabbiegen. Das funktioniert so: Ich mogle mich so früh wie möglich vor der Kreuzung auf die Straßenmitte und dann bis ganz an den linken Fahrbahnrand wenn sich die Möglichkeit bietet (ich bin dann sozusagen Geisterfahrer). Von dort biege ich ein, kreuze den Gegenverkehr wieder und voilà: geschafft. Achja, der Blinker wird hier völlig überbewertet. Die Hälfte aller Verkehrsteilnehmer fährt mit dauerhaft gesetztem Signal, die andere benutzt es erst gar nicht. Vientiane ist mit „nur“ ca. 500.000 Einwohnern im Gegensatz zu anderen asiatischen Megacities zum Glück noch eher entspannt.
Die Hauptstraßen sind im Großen und Ganzen neu und in gutem Zustand. Biegt man jedoch mal davon ab, kommen ganz schnell Wege die nur aus festgefahrener roter Erde bestehen, inklusive riesiger Löcher oder Pfützen. Falls man auf die wunderbare Idee kommt solche „Straßen“ bei Regen zu befahren: eine Ganzkörperreinigung danach ist unausweichlich.
Am Samstag Abend wurde ich außerdem Zeuge einer allgemeinen Verkehrskontrolle direkt vor unserem Haus. Da hier gefühlte fünfzig Prozent aller Fahrer/Fahrerinnen irgendetwas zu verbergen haben, konnte ich eine Reihe von sehr unterhaltsamen Reaktion beobachten, z.B.:
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Ich rase durch die Kontrolle und halte nicht an.
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Ich verstecke mich hinter anderen Autos und flüchte.
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Ich setze schnell den Helm auf der am Lenker baumelt.
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Ich parke am Straßenrand, schalte das Licht aus und warte.
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Ich fahre auf ein Grundstück und tue beschäftigt (das war vorzugsweise unser Supermarkt – zwischenzeitlich hatten wir mehr als zehn „Flüchtlinge“).
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Ich wende panisch und versuche in die andere Richtung zu entkommen.
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Ich werde sehr langsam und fahre Schlangenlinien weil ich so aufgeregt bin.
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Ich simuliere einen Nervenzusammenbruch um die Polizisten milde zu stimmen.
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Ich packe die Geldscheine aus und versuche zu bestechen.
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Ich halte am Straßenrand und pinkle erst einmal.
Das Ergebnis des ganzen Akts war dann, dass schlussendlich eine Karawane von zu Fußgängern degradierten Menschen an unserem Haus vorbeigezogen ist.