Pünktlich zum Jahreswechsel hat mein rechter Weisheitszahn sich schmerzvoll gemeldet. Halleluljah! Nun standen verschiedenen Optionen zur Auswahl:
- Panische Rücktransport nach Bangkok: Notoperation.
- Nur die Harten kommen in den Garten: warten bis ich wieder in Vientiane bin und ab zum Superzahnarzt.
- Das kambodschanische Gesundheitssystem erforschen: Ausgang ungewiss.
Letztendlich habe ich mich für Möglichkeit Drei entschieden. In Phnom Penh also auf die Suche nach einer geeigneten Institution gemacht, dabei auf die SOS International Klinik gestoßen. Leider fühlte sich die amerikanische Zahnärztin mit einem Weisheitszahn überfordert. Konnte ich zuerst kaum glauben nach meinen Erfahrungen in Vientiane. Das hieß dann: ab zur zweiten Möglichkeit, ein in Neuseeland ausgebildeter Kambodschaner. Treffer! Einen Tag später liege ich da, ruhig erklärt mir der Zahnarzt was er grade macht und zehn Minuten später war‘s dann auch schon vorbei. Währenddessen spürte ich aber schon, dass es nicht ganz so glatt lief wie letztes Mal, besonders bei der Betäubung und beim Vernähen. Dem war dann auch so. Das Ergebnis: drei Tage platt, inklusive Hamsterbacke. Nicht schön. Da war ich wohl etwas zu gutgläubig…
Es gibt so Momente in denen ich meiner asiatischen Halbherkunft besonders dankbar bin. Dazu gehört vor allem, dass ich bei Bedarf als Einheimischer durchgehe. Einfach keine Kamera, keinen Reiseführer oder sonstige Touriaccessoirs mit sich rumtragen, eine entspannte Mine aufziehen und schon werde ich nicht alle fünf Meter gefragt ob ich entweder:
Phnom Penh mit Verrücktem
a) ein Tuk-Tuk
b) Marihuana oder
c) eine Prostituierte will.
Im Stadtzentrum Phnom Penhs (Kambodschas Hauptstadt) kann man diesen unglaublich verlockenden Angeboten kaum entfliehen. Ich genieße es dann immer wenn ich höre wie andere Touristen angequatscht werden und ich unbehelligt vorbeilaufen kann.
Für was ist Kambodscha sonst so bekannt? Genau, Angkor Wat und die Roten Khmer. Der Unterschied könnte kaum größer sein.
Auf der einen Seite 2 Millionen Tote in vier Jahren – abgeschlachtet, gefoltert, verhungert - eine Bilanz die sonst wohl nur noch vom dritten Reich überboten werden kann. Autogenozid - Mord am eigenen Volk für irgendwelche haarsträubenden Ideologien. Kambodscha wurde 1975 in die Steinzeit zurückkatapultiert. Der Besuch der Killing Fields, einer Gedenkstätte für den Massenmord, ähnelt einem Konzentrationslager. Ganz schön harter Stoff im Urlaub…
Jetzt zum Kontrastprogramm: Tempel, Tempel, Tempel. Im Lonely Planet heißt es: „Angkor is one of the world’s foremost ancient sites, with the epic proportions of the Great Wall of China, the detail and intricacy of the Taj Mahal and the symbolism and symmetry of the pyramids, all rolled into one. […] The traveller’s first glimpse of Angkor Wat, the ultimate expression of Khmer genius, is simply staggering and matched by only a few select spots on earth such as Macchu Picchu or Petra.” Die Erwartungen sind nach solchen Beschreibungen natürlich entsprechend hoch.
Angkor Wat, der Haupttempel, das ultimative Meisterwerk, hat mich dann doch etwas enttäuscht. Klar, hier wurde Unglaubliches vollbracht, aber die Atmosphäre stimmt meiner Meinung einfach nicht. Zu viele Leute, zu viele Verkäufer („Siiiiiiiir! Only one dollar! One dollar!). Dafür gibt es ja noch gefühlte 100 weitere Tempel in der weitläufigen Umgebung. Denn es sind die Tempel von Angkor und nicht nur Angkor Wat. Ich bin ganze zwei Tage mit dem Mountainbike rumgefahren und habe trotzdem noch nicht alles gesehen. Hatte dann eh meine Tempeldosis erreicht ;-)…
Kambodscha sollte man aber nicht nur auf seine zwiespältige Vergangenheit reduzieren. Das Land hat mehr zu bieten als Totenschädeln und Monumentalbauten…
Sehr flach und sehr weit - so sieht Kambodscha meistens aus
Die nächsten sechs Wochen bin ich wieder in Vientiane. Alter Arbeitsplatz / Lieblings-WG / Heimat – Life’s good.