Am wichtigsten ist wohl die Tatsache, dass ich bei meiner Tante ausgezogen bin. Mein neues Zuhause ist das ViP, ein von der deutsch-laotischen Entwicklungsgesellschaft gemieteter Gebäudekomplex. Die Zutaten: einfaches Zimmer mit Bad, acht GIZ-Freiwillige, große Küche, gute Lage, tolle Atmosphäre. Das Ergebnis: Freiheit & Spaß. Es ist schön wenn man nach Hause kommt und es sind Leute da mit denen man reden kann, anstatt von Thai-Soaps bombardiert zu werden. Jetzt bin ich selbst dafür verantwortlich, dass meine Wäsche gewaschen und mein Zimmer geputzt wird. Und zahle auch noch Geld dafür. Es lohnt sich trotzdem.
Ein paar Worte zu meinem Job. Reguläre Arbeitszeiten? Gibt’s nicht. Morgens sieben Uhr, ich im Tiefschlaf. Verdammt, mein Handy klingelt. Wer ruft an? Mein Chef. „Hey Jens, we have visitors from Australia arriving today at 10.00 o’clock to the center. Can you come please?” Oder: “Jens, I want you to go to a camp tomorrow for two days.” Das ist Laos. Langfristige Planung? Nö. In den letzten Wochen hatte ich auch eine Reihe von Workshops / Veranstaltungen zu unterschiedlichen Themen: Reproductive Health, Child Rights, Lao Youth Network, European Joint Development Strategy, Equal Education for All usw. Von sehr spaßig - die schauspielerische Darstellung eines Penis mit fünf Leuten - bis extrem langweilig - schlechteste Powerpointpräsentation der Welt - war alles vertreten. Als meist einziger “Falang” (Ausländer) bin ich doch etwas aufgefallen. Zum Glück wurde ich immer mit offenen Armen aufgenommen und Leute haben sich zum Übersetzen bereiterklärt. Nicht nur meine Sprachkenntnisse wurden ausgiebig geprüft, sondern auch mein Sitzfleisch. Stühle? Fehlanzeige, dafür gesellige, stundenlange Sitzkreise auf dem Boden. Für die von früh auf trainierten laotischen Hintern natürlich kein Problem - für mich schon. Im Gegenzug habe ich aber eine Menge netter Leute kennen gelernt.
Abseits dessen war ich den letzten Monat auch damit beschäftigt mich auf meine Tests für die Unibewerbung vorzubereiten. Mathe / Physik / Englisch. Und das nach einem halben Jahr ohne große geistige Betätigung. Letzte Woche Samstag hieß es dann: auf zur internationalen Schule in Vientiane. SAT Subject Test. Abiturfeeling. Drei Stunden später… vorbei.
7 Tage später folgte der zweite Streich: der ACT. In Bangkok. Donnerstagabend in den Bus gesetzt, Freitagmorgen in Thailands Hauptstadt. Und die hat es in sich: sie erschlägt dich erst einmal. Doppelt so viele Einwohner wie ganz Laos und gefühlt genau so viele Autos. Die internationale Schule, an der getestet wurde, liegt etwa 45 Minuten außerhalb der Stadt. Das hieß für mich: ab durch den Großstadtdschungel, rein in ein Expatriate-Village. Die gepflegte Straßenbegrünung, geordneten Gehwege, englischen Straßenschilder wirkten fast schon surreal im ansonsten wild gewachsenen Stadtbild. Es folgten: vier Stunden Test. Erleichterung. Und jetzt Bangkok genießen: durch riesige Einkaufzentren schlendern, ein gutes Steak genießen, in englisches Kino gehen.
Am nächsten Tag dann zurück ins beschauliche Laos – aus Neugierde mit dem Zug. Leider waren keine Schlafplätze mehr verfügbar, also habe ich einfach dritte Klasse gebucht (6 Euro!)… Mir wurde erst später klar was das eigentlich bedeutet, nämlich zwölfstündiger intensivster Körperkontakt mit einem Plastiksitz. Yeah.
- Stunde 1: Alles noch ganz locker. Bisschen was essen, trinken, aus dem Fenster gucken. Bangkok in der Dämmerung zieht draußen vorbei. Der Fahrtwind weht angenehm um die Nase.
- Stunde 2: So langsam wird’s unbequem. Trotzdem geht die Zeit noch schnell rum, meinem iPod sei Dank. In der Zwischenzeit laufen immer wieder Verkäuferinnen mit Essen und Trinken durch den Waggon.
- Stunde 3: Ich versuche zu schlafen. Mein Kopf schlägt immer wieder gegen eine Metallstange.
- Stunde 4: Halbschlaf.
- Stunde 5: Aufgewacht. Mir ist kalt, Schmerzen an Rücken und Arsch. Die ganzen Thais um mich herum leiden genauso. Jeder wechselt spätestens nach 30 Minuten seine Sitzposition.
- Stunde 6: Warum habe ich mir das angetan? Wenigstens die Hälfte vorbei…
- Stunde 7: Ich muss aufstehen. Kann nicht mehr sitzen. Will schlafen…
- Stunde 8: Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah. Absouluter Tiefpunkt.
- Stunde 9: Meine beiden Nebensitzer sind ausgestiegen. Die ganze Bank für mich. Ich quetsche mich möglichst bequem auf die Bank. Augen zu. Endlich.
- Stunde 10: Zzzz…Zzzz…Zzzzz….
- Stunde 11: Ich werde angestupst. Aufwachen! Wir sind da. Jaaaa! Aussteigen, orientieren und ab nach Laos.
Oh. Wo bin ich hier eigentlich? Ich wollte doch direkt an die Grenze. Verdammt, zu früh ausgestiegen. Der Zug fährt ab. Sechs Uhr morgens, ich bin total fertig in Udon Thani, ungefähr eine Stunde vom Zielort entfernt. Irgendwie habe ich dann nach einer Stunde den Bus gefunden der nach Nong Kai fährt. Dann Tuk-Tuk. Grenzkontrolle. Visa beantragen. Nochmal in einen Bus. 16 Stunden Oddysee.
Und die nächste Reise steht schon in Aussicht: Am Freitag verlasse ich das schöne Laos in Richtung Vietnam. Das bedeutet: 48 Stunden Bus! Diesmal aber mit Schlafplatz. Ohne scheiß.
Von Weihnachten merkt man hier übrigens gar nix…