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Eine Zukunft für Alle

Auch wenn unser Alltag in Deutschland noch nicht lebensbedrohlich betroffen ist, stehen wir als Menschheit vor einer existentiellen Herausforderung. Unser Klima verändert sich schneller als je zuvor, maßgeblich verursacht durch technische Errungenschaften und unseren Lebensstil.

Mit Anfang zwanzig habe ich das Thema mit “wird schon irgendwie” abgetan. Ich war der festen Überzeugung, dass wir mit einer technischen Innovation schon noch die Kurve kriegen. Außerdem könne es doch gar nicht so schlimm sein, dachte mein damaliges Ich.

Heute, zehn Jahre später, denke ich anders. Ich bin viel skeptischer, was technische Lösungen angeht und erkenne mittlerweile an, dass die Klimakrise eine riesige globale Herausforderung darstellt, in der ein “Weiter so” ungerecht und verantwortungslos wäre. Ich will in diesem Beitrag zusammenfassen, wie sich meine Position verändert hat und was ich aktuell denke.

Warum mache ich das hier öffentlich? Leider leben viele von uns, mir inklusive, oft in einem Zustand der Verdrängung. Die Probleme sind zu abstrakt, zu weit weg oder zu unbequem. Dabei ist das Problem so dringend, dass die Klimakrise in das Zentrum unserer Gesellschaft und unseres Handeln kommen muss.

Ein Beitrag dazu ist, auch als Privatperson, klare, öffentliche Position zu beziehen. Das Aufschreiben hilft mir außerdem, meine Gedanken zu ordnen und argumentativ aufzuarbeiten.

Die Fakten

Die menschengemachte Klimakrise ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Es ist erdrückend deutlich, dass wir durch ein Weiter so auf dem Weg in eine +3 Grad wärmere Welt unterwegs sind.

Im sechsten Bericht des IPCC - der wissenschaftlichen Institution, wenn es um Klimafragen geht - heißt es:

Human activities, principally through emissions of greenhouse gases, have unequivocally caused global warming, with global surface temperature reaching 1.1°C above 1850–1900 in 2011–2020. Global greenhouse gas emissions have continued to increase, with unequal historical and ongoing contributions arising from unsustainable energy use, land use and land-use change, lifestyles and patterns of consumption and production across regions, between and within countries, and among individuals (high confidence).

Dieser Temperaturanstieg hat gravierende Konsequenzen, zum Beispiel, was das Risiko an Hitze zu sterben angeht.

Quelle: https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/figures/summary-for-policymakers/figure-spm-3

Die Folge daraus ist, dass ganze Regionen nicht mehr ohne Weiteres bewohnbar sind. Der IPCC hat noch viele weitere eindrückliche Grafiken. Wenn die Fakten so klar sind, warum schaffen wir es nicht, notwendige Maßnahmen einzuleiten?

Meine Geschichte

Ich bin ein Kind des Autos, aufgewachsen in einem Vorort von Stuttgart, eines der industriellen Zentren weltweit. Hier wurde das Auto erfunden und in den vergangenen hundert Jahren zu einem globalen Exportschlager gemacht.

Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Mal alleine im Internet, an einem alten Laptop meines Vaters: Meine erste Internetseite, www.ferrari.de. Ich besuchte regelmäßig Motorsport-Events und las die auto motor und sport. Meine Schulhefte waren vollgemalt mit Skizzen von Autos. Mit Begeisterung ging ich nach Frankfurt auf die Internationale Automobilausstellung IAA. Eines meiner Lieblingshobbies: Gokart fahren.

Für mich war Technik gleichzusetzen mit Fortschritt. In den folgenden Jahren baute ich fußballspielende Roboter, studierte Mechatronik, dann Informatik mit Fokus auf Robotik. Doch irgendwann bekam mein Weltbild Risse. Es war kein einzelnes Ereignis, sondern ein über Jahre dauernder Prozess, der meine Sicht auf die Welt nachhaltig veränderte.

Free and Open Source Software

Anfang meines Masterstudiums wechselte ich mehr aus Zufall als aus Überzeugung das Betriebssystem meines Laptops zu GNU/Linux. Nach und nach entdeckte ich die politische Komponente von Software. Menschen wie Richard Stallman kämpfen seit Jahrzehnten dafür, dass Software die Rechte der Nutzer respektiert. Mir wurde deutlich, dass sich die Interessen von Unternehmen, nämlich die Maximierung von Gewinn, selten mit den Interessen der Nutzer deckt.

Gemeinschaft

Seit über zehn Jahren lebe ich in Wohngemeinschaften mit wechselnden Menschen zusammen. Immer wieder gab es Momente, in denen aus der Gemeinschaft heraus ohne große finanzielle Aufwendungen besondere Erinnerungen wuchsen. Das waren solche Dinge wie gemeinsame Kochabende, Kleingartenprojekte, WG-Parties oder Klimacamps. Jede:r trägt etwas bei, was im Rahmen der eigenen Möglichkeiten steht. Mich erstaunt es immer wieder, was viele Hände bewirken können. Dahingegen zeigt uns Marketing meistens etwas ganz Anderes: Du kannst nur zufrieden sein, wenn du dir etwas leisten kannst.

Partnerschaft

Unsere engsten Mitmenschen haben den größten Einfluss auf uns. In meinem Fall ist und war das Marika, die schon lange vor mir keine Zukunft für alle bei einem Weiter so gesehen hat. Außerdem hat mir ihr Einsatz gegen die Benachteiligung von Frauen gezeigt, wie unfair die Welt sein kann.

Alltagserkenntnisse

In den letzten Jahren entdeckte ich immer mehr, dass mich “moderne” Technologie oft mehr frustriert als begeistert. Das beste Beispiel dafür ist das Smartphone. Das Gerät ist mehr als jedes andere dazu entwickelt worden, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Hunderte der schlausten Köpfe unsere Generationen verbringen ihre Karrieren damit, Nutzer länger an ihre Apps zu binden und das mit Erfolg. Ständige Unterbrechungen verhindern den Fokus auf den Moment: sei es in Unterhaltungen, bei einem Sonnenuntergang oder beim Arbeiten.

Klimatische Extremereignisse

Schon seit langer Zeit warnen Klimawissenschaftler:innen vor klimatischen Extremereignissen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es sich dabei nicht nur um akademische Diskussionen handelt. Die Sommer 2022, 2021 und 2018 waren alle weit überdurchschnittlich warm und trocken. Diese Häufung ist leider kein Zufall sondern wird mit großer Wahrscheinlichkeit durch die Klimakrise verursacht.

Ich habe für den größten Teil meines Lebens daran geglaubt, dass uns technischer Fortschritt aus der Klimakrise retten würde. Inzwischen denke ich anders. Technologischer “Fortschritt” in Verbindung mit einem kapitalistischen Wirtschaftssystem hat uns in die Klimakatastrophe gebracht. Ich finde es sehr naiv, zu glauben, dass das Problem mit genau den gleichen Mitteln zu lösen ist. Mich von lange gültigen Glaubenssätzen zu trennen war schmerzhaft und verunsichernd. Dabei gibt es immer noch Technologie, die mich begeistert, aber die hat einen anderen Charakter: hochwertiges Handwerkzeug, unzerstörbare Küchenutensilien oder improvisierte Alltagslösungen.

Für mich war irgendwann auch klar, dass meine neue Einstellung auch berufliche Konsequenzen mit sich bringt. Das war nicht immer einfach und hat mich vor die eine oder andere Krise gestellt. Nachdem ich für viele Jahre meinen Fokus in Richtung Robotik und Industrie hatte und ein Thema wie selbstfahrende Autos die nächste logische Konsequenz gewesen wäre, entschied ich mich schlussendlich dafür, als Softwareentwickler im medizinischen Bereich zu arbeiten.

Was können wir tun?

Ein erster Schritt muss sein, die Wahrheit anzuerkennen. Die Lage ist ernst, es kann kein weiter so geben. Unser materielle Wohlstand basiert auf der Ausbeutung der Erde, zukünftigen Generationen und anderen Mitmenschen.

Weiterhin müssen wir anfangen, uns große Fragen zu stellen. Was ist das gute Leben? Was ist uns wichtig als Gesellschaft? Wie schaffen wir eine Zukunft für alle? Eine solche geteilte Utopie kann uns immer wieder als Richtungsgeber dienen, der uns klar macht, wohin wir wollen.

Es liegt nicht an uns als Einzelperson, mit perfekten Lösungen aufzukommen, das ist die die Aufgabe unserer Regierung. Mit einem klaren Auftrag, wohin die Reise gehen muss, können dann konkrete und wirksame Maßnahmen abgeleitet werden. Dieser Auftrag muss von uns kommen.

Wie kann ich zum Wandel beitragen?

Wirklich stark sind wir zusammen. Deswegen ist kollektive Organisierung unsere beste Chance auf Erfolg. Nur auf politischer Ebene können wir als Gemeinschaft Entscheidungen treffen und Spielregeln vorgeben, die zu einem echten Wandel führen.

Jahrelang wurde die Klimakrise als individuelles Problem dargestellt. Es waren interessanterweise Kampagnen der Ölindurstrie, die diese Ansicht („wenn du richtig konsumierst, kann die Klimakrise verhindert werden“) maßgeblich gefördert haben. Während Weltkonzerne und Superreiche seit Jahren ungebremst auf das Gaspedal in die Klimakatastrophe drücken, sollen wir schön mittels richtigem Konsum die Welt retten. Diese Rechnung geht nicht auf und hat uns keinen Meter weiter gebracht. Ich habe sogar oft das Gefühl, dass es den gegenteiligen Effekt hat. Jede:r von uns kann sich durch richtige Konsumentscheidungen freikaufen, ganz nach dem Motto: Ich mache doch schon alles richtig! Das verhindert eine wirksame Organisierung auf politischer Ebene, die das wichtigste Werkzeug ist, das wir haben.

Viel zu lange wurde uns versprochen, dass etwas passiert, dass wir auf einem guten Weg sind. Alle Parteien bekennen sich offiziell zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad. Wir müssen unseren Regierungen klar machen, dass es sich dabei nicht nur um Lippenbekenntnisse handeln darf. Dafür braucht es so viele wie möglich von uns.

Quellen

Global

Die wichtigste Quelle zur Klimakrise ist der 6. Report des IPCC. Davon gibt es eine Zusammfassung die sich speziell an Regierungen wendet. In diesem Bericht wird deutlich, dass die aktuelle Politik nicht genug ist um das 1,5 oder sogar 2 Grad Ziel zu erreichen.

Eine ganz simple Grafik zur Entwicklung der Klimakrise sind die Klimastreifen. Die aktuellsten Daten zu Treibhausgasen finden sich hier.

Unsere Erde besitzt sogenannte Kipppunkte. Das sind Prozesse, die einmal in Gang gesetzt große Veränderungen bedeuten.

Die sehr reiche Bevölkerung trägt weit übermäßig zur Klimakrise bei.

Ein aktueller Artikel von einem Klimawissenschaftler, der nochmal auf die Dringlichkeit der Lage aufmerksam macht.

Ein Artikel der Protest einordnet und illegal und illegitim diskutiert.

Deutschland

Alle demokratischen Parteien bekennen sich zum 1,5 Grad Ziel. So ist das zum Beispiel auch im aktuellen Koaltionsvertrag der Ampel niedergeschrieben.

Jede Regierung ist durch das Klimaschutzgesetz der Klimaneutralität bis 2045 verpflichtet.

Um dieses Ziel zu erreichen erstellt das Umweltbundesamt Projektionsberichte. Hier wird klar, dass wir aktuell unsere Ziele verfehlen.

Außerdem soll aktuell das Klimaschutzgesetz noch weiter aufgeweicht werden.

Das Ziel 2045 klimaneutral zu sein ist nicht vereinbar mit dem 1,5 Grad Ziel. Es gibt ein durch den Sachverständigenrat für Umweltfragen erstellten Bericht in dem das verbleibende CO2 Budget ausgerechnet wird.

Dieses Budget kann dann genutzt werden um Szenarien unterhalb der Obergrenze zu schaffen, wie zum Beispiel hier.